2019KB Wolfgang klein DSC05214Kleiner Bruder vom Evangelium Max Wolfgang Schiller schreibt in regelmäßigen Abständen einen Rundbrief aus seinem Einsatzort in Bolivien:
 

Liebe Freunde!

Heute schreibe ich euch aus Cochabamba.

Ich habe ich mir ein paar Wochen Zeit genommen, die Brüder in Cochabamba zu besuchen. Hier kann ich ausspannen, aber auch die 4 jungen Männer kennenlernen, die sich hier eingefunden haben, um ein Postulat anzufangen. Sie sind aus der Karibik, also durchaus fremd in den Anden. Sie kommen aus Venezuela, Nicaragua, Kuba und El Salvador. Alles Männer, die sich der politisch angespannten Situation in ihrem Heimatland durchaus bewusst sind. Der jüngste ist 22, der älteste 35. Sie können alle dieselbe Sprache Spanisch, kein Problem in Südamerika. Sie haben auch schon Arbeit gefunden, denn das erste Jahr im Postulat gehen sie eine Gelegenheitsarbeit suchen, und so lernen sie Land und Leute kennen und versuchen, auch Nazaret zu leben, d.h. so zu leben wie die anderen Leute auch, aber wir pflegen auch das geistliche Leben. Wir beten jeden Morgen zusammen, singen die Laudes. Gestern Abend gab eine „Revision de Vie“, d.h. Rückblick über das eigene Innen-Leben. Tagsüber gehen sie der Arbeit nach. Das Wochenende sind sie frei und verbringen es im Haus und in dem Dorf, das uns aufnimmt. Das Dorf ist am Rand der Großstadt Cochabamba, aber jetzt werden die Grünflächen zugebaut und zugemauert. Bald stehen dort neue Häuser und die Stadt holt uns ein.

Jahrelang gab es bei uns keine Postulanten, nun sind es gleich vier. Wir werden sehen, wie weit sie durchhalten und sich im Ordensleben zurechtfinden. Auf jeden Fall ist es angenehm, mit ihnen zu leben und von dieser Jugend Freude, Temperament und Engagement zu lernen. Ich nehme an, dass sie von uns alten Brüdern auch lernen können, wie man ein Ordensleben ernsthaft angeht und darin besteht.

Die politische Situation in den Ländern Südamerikas ist angespannt, Bolivien eingeschlossen. Der Wahlkampf beginnt, im Oktober sollten die Wahlen sein. Die Regierung, sozialistisch, ist ja schon 12 Jahre an der Macht und auch mit 2/3 Mehrheit im Parlament, benutzt den Staatsapparat, um die Bürger zu beeinflussen. Wahlkampf heißt auch, dass das Land aufgespalten wird in Gute und Böse, in pro und kontra, in für Evo oder Opposition.

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Ich bin seit 3 Wochen in Titicachi.

Wieder gewöhne ich mich schnell ein. Was da nicht alles in einer kleinen Indianerpfarrei einem so zugetragen wird. So war ich in der Segnung eines neuen Schulgebäudes in Mollo mit dabei, ein riesiges Gebäude, die Schulsäle 8 auf 11 Meter groß, 3 Säle im Erdgeschoss, darüber die anderen drei. Nun, es soll den SchülerInnen nutzen. Da habe ich dann die Honoratioren der Umgebung getroffen. Ich schlage mich gut durch bei alledem, auch bei der Segnung. Wenn dann das Bier (Chicha) geöffnet wird, trete ich den Rückzug an.

Am Mittwoch darauf bei strömenden Regen die Eröffnung eines Instituts für Fortbildung von Abiturienten, diesmal in Titicachi, es gibt ein Versprechen des Erziehungsministerium so ein Institut in Titicachi aufzubauen, und es sollen sich schon 10 StudentInnen eingeschrieben haben. Ich erkälte mich ordentlich bei diesem Fest im Dauerregen und frage mich, wer soll denn das bauen? Noch ist das alles nur ein Papier und ein Versprechen, und da wir im Wahljahr sind, kann man sich fragen, ob das Ding je gebaut wird.

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Dann unsere Einweihung in Tarisquia. Nur ein halbes Jahr haben die Bauern an ihrem Wasserprojekt gearbeitet. Sie waren begeistert an die Sache gegangen und jetzt fließt ausreichend Wasser durch die Rohre und füllt die Hauptleitung und füllt den großen, runden Tank und läuft auf alle Verteiler und hie und da existiert schon ein Sprenger und mit gutem Druck wird der junge Maisacker besprengt. Wir feiern eine Dankesmesse. Große Freude bei allen. Es sind 55 Bauern mit Familien, die dieses Wasser benutzen können. Die Sonne scheint heftig, wir sind ja 300 Höhenmeter unterhalb des Dorfes Tarisquia und da muss ich zu Fuß auch wieder nach oben, wo in der Plaza dann das Hauptfest stattfindet. Es gibt Überfluss an Essen, Trinken und ich darf dort mit Männern und Frauen um den großen Dorfplatz tanzen. Ein junges Mädchen in Indiotracht hält ihren Handy hoch und filmt. Das kommt dann ins Facebook. Gegen Abend verabschiede ich mich, mit Handschlag bei allen, das Fest ist ja am Vorabend von Fasching und es gibt allen Grund und jedes Recht zu feiern.

Gestern, Sonntag, habe ich mit Muskelkater die Messe gefeiert und zwei Kinder getauft, die zufällig alle am 13. Oktober 2016 geboren wurden, Freude bei dem Paar, das ihr Mädchen mit weißem Kleide ausgestattet hat und Freude bei der alleinerziehenden jungen Mutter, die ihren Sohn mit den Familiennamen des treulosen Vaters ins Taufbuch hat eintragen lassen. Ob sich da noch etwas bessert? Manchmal schon, aber nicht immer. Die Gemeinde vernimmt schmunzelnd meine Feststellung, dass die beiden Kinder zufälligerweise am selben Tag geboren wurden und nun am selben Tag Jesus Christus gehören.

Ja, da gäbe es noch allerhand Geschichten zu erzählen, kurz vor der Taufmesse berichtet mir eine durchaus gebildete Frau, - sie verkauft Essen auf dem Sonntagsmarkt -, dass ihr ältester Sohn ins Trinken gerät, viele Schulden hat, dass seine Frau mit dem kleinsten Kind zu ihren Eltern gezogen ist und ihr die anderen drei Kinder (4 bis 10 Jahre jung) überlassen hat, denn ihr Sohn, der Vater von diesen 4 Kindern, ist Alkoholiker und lebt jetzt auf der Strasse in La Paz. So gibt es bei meinen Eucharistiefeiern immer Glück und Unglück zu verbinden.

Ich wünsche euch Gottes Reichen Segen.

Ich selbst erfreue mich weiterhin einer guten Gesundheit und wünsche dasselbe auch euch und euren Familien.

Mit einem herzlichen Gruß,

euer Kleiner Bruder Max Wolfgang Schiller

4. März 2019